Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Jahrelang, fast schon jahrzehntelang wartete ich auf einen emotionalen Impuls um mir ein neues Rennrad zu kaufen. Ich fand sie alle hässlich. Mein altgedientes Breezer Venturi, damals Mitte der 1990er mit dem aus dem Mountainbikedesign angelehnten, gesloptem, also zum Sitzrohr abfallenden Oberrohr ausgestattet und daher traditionsbrechend, fand ich immer noch schöner als die ganzen aktuellen Renner. Allerdings war ich kaum noch mit dem Breezer unterwegs, denn die Technik war einfach alt. Felgenbremsen auf Mavic S.U.P. Keramikflanken waren, besonders wenn man einmal gescheite Scheibenbremsen am MTB gewohnt war, nicht mehr besonders vertrauensvoll, speziell bei Nässe, wo eine Bremswirkung erst nach kurzen Sekunden der Panik eintreffen sollte und es eventuell schon zu spät für ein gesundes Weiterleben sein könnte.
„Basso“ weiterlesenStapellauf
“You’ll never get a second chance to make a first impression”
Wenn es nach diesem Motto ginge, hätte ich bisher bei fast allen meinen neuen Rädern nach der ersten Ausfahrt vom Recht Gebrauch gemacht, vom Kauf zurückzutreten.
So war es auch am Freitag, als ich mit meiner neuesten Anschaffung die erste Testfahrt unternahm. Das Rose Backroad fühlte sich einfach komplett anders an und die ersten Zweifel kamen auf: sitze ich zu tief, zu eng, doch die falschen Rahmenhöhe, …? Und wie es so läuft, wenn das Hirn am Hadern ist, stellen sich sogleich die ersten passenden körperlichen Symptome dazu ein: plötzlich zwickt es im Knie, der Sattel drückt, usw. Glücklicherweise habe ich das schon oft genug genau so erlebt, als dass ich dem Backroad nicht tatsächlich noch eine “second chance” geben wollte.
Ob es eine gute Idee ist, dafür gleich mal eine ambitionierte Crosstour anzugehen, sei mal dahingestellt. Was denn gewesen wäre, wenn ich tatsächlich nach 50km irgendwo im verlassenen Eyachtal bei Schneegestöber mit Knieschmerzen gestrandet wäre, darüber habe ich erst später nachgedacht. Aber es ging nicht nur glimpflich aus, sondern das neue Rad hat sich nach der Tour bereits so vertraut angefühlt, dass ich es kaum glauben konnte.
Aber nach dem ganzen Vorgeplänkel jetzt endlich mal zur Vorstellung. Hier bitte schön: Das Backroad in seinem Element.
“Wie? Schutzbleche? Was soll denn bitte das?” höre ich aus dem Publikum. Jawoll! Schutzbleche!11!!1!! Ich gebe zu: rein optisch ist das jetzt wirklich nicht der Brüller und eigentlich hatte ich sie mir ja nur für den reinen Straßenbetrieb organisiert, weil ich der Meinung war, dass sie im Gelände eh nicht so viel bringen. (sie blieben gestern nur dran, weil ich keine Zeit zum Abschrauben hatte). Aber wie hatte ich mich hier getäuscht! Meine Damen und Herren, bitte schauen Sie sich noch einmal das Bild genau an. So sauber kann ein Rad aussehen, nachdem es 50km durch Northwood-Matschepampe bewegt wurde!
Auch am Ende der Tour war es immer noch so sauber, dass ich das Rad einfach ohne weitere Behandlung in die Garage gestellt habe. Das waren jetzt ca. 30min gesparte Putzzeit und damit gewonnene Freizeit.
Für mich sind die Schutzbleche (ohne Witz!) jetzt schon DAS Killerfeature an diesem Rad. Vorbei die Zeiten, wo man nach einer Matsch-Tour heimkommt und sich frägt, ob man das Rad überhaupt noch abspritzen soll oder es nicht gleich für Selbstabholer am Straßenrand liegen lässt.
Sicherlich geht damit auch ein wenig der Heroik-Faktor verloren, wenn man nach so einer Tour OHNE Gesichts-Fango-Packung heimkommt (kennt ihr sicher: man nimmt die Brille ab und sieht so aus, als hätte man sie immer noch auf). Aber das ist mir WURSCHDT!
Was gibt es sonst noch zu sagen:
Das Ding rennt – es fühlt sich tatsächlich so “schneidig” wie Rennradfahren an, nur eben auf unbefestigtem Untergrund. Der Rollwiderstand ist auf allen Belägen erstaunlich gering, obwohl die Reifen ja durchaus Profil haben. Meine Durchschnittsgeschwndigkeit war auch gestern gleich mal aus dem Stand heraus deutlich höher als bei ähnlichen Touren auf dem MTB. Die reine AVG-Speed ist mir jetzt egal, aber bei gleichem Zeitbudget bedeutet das eben auch deutlich mehr mögliche Kilometer und damit die Option, die Fühler wieder weiter auszustrecken.
Ich bin auch sehr froh, dass ich mich für die Ausstattungsvariante mit 2×11 statt 1×11 entschieden habe. Die Übersetzungsbandbreite wäre zwar unter dem Strich fast gleich gewesen, aber so habe ich jetzt fein abgestufte Gangsprünge. Auch das hat sich eher nach Rennrad als nach Mountainbike angefühlt. (Wobei ich fairerweise dazu sagen muss, dass ich 1×11 noch nie in der Realität erprobt habe).
Im Flachen habe ich mich überwiegend mit dem großen (aber kleinen) Kettenblatt vorwärts bewegt und im groberen und steileren Gelände ging es dann aufs kleine Blatt. Bravo Shimano – das habt ihr zumindest für mich optimal hinbekommen!
Auch der kleinste Gang musste bisher nicht zu Einsatz kommen – das war auch so ein Punkt, bei dem ich anfangs unsicher war: ist so ein Gefährt wirklich Northwood-tauglich oder eher doch nur für sanftes Auf-und-Ab? Nichts schlimmer als irgendwann damit mal das Sasbachtal hochzufahren, vergeblich am Schalthebel zu drücken und feststellen zu müssen, dass am Ende des Ritzelpakets noch verdammt viel Anstieg übrig ist!
Ok, die wirkliche Bewährungsprobe steht noch an bluesky’s Kniescheiben-Spalter-Anstiegen aus. Wenn’s zu heftig werden sollte, täusche ich eben einen Defekt vor und steige ab 🙂
Wirklich Negatives kann ich bisher nach (ok, erst 100km) noch nicht berichten.
- das Hinterrad hat beim ersten Bremsversuch auf einer Abfahrt relativ spektakulär versucht, mich zu überholen. Lag wahrscheinlich am unsensiblen Bremsen-Bediener 😉
- Die Scheibenbremsen “klingeln” manchmal im Leerbetrieb. Na ja, was soll ich sagen: Scheibenbremsen eben. Ich kenn’s nicht anders. Bin mal gespannt, wann und ob die Ingenieure das irgendwann mal wirklich in den Griff bekommen. Ist zwar meistens nur ein rein akustisches Problem, aber das sind genau diejenigen, die die schönsten Flow-Momente stören können: Bling-Bling-Bling ..
- Der Lenker könnte doch einen Tick zu schmal gewählt sein.
- Sattel und meine Sitzbeinhöcker sind noch keine dicken Freunde
- Ich ärger mich ein wenig, dass ich kein braunes Lenkerband und braunen Sattel gewählt habe, das wäre tatsächlich ein Hingucker geworden.
Aber das sind alles Kleinigkeiten, über die ich irgendwann mal hinwegsehe oder sogar einfach abstelle 😉
Fazit:
Wie schon geschrieben, ist es für ein richtiges Fazit noch ziemlich früh, aber ich bin sehr erleichtert, dass das Rad gleich so viel Spaß macht!
Während 2 Monaten Wartezeit zwischen Bestellung und Auslieferung kamen doch Zweifel auf, ob das jetzt wirklich sein muss und das Rad überhaupt etwas Neues bringt. Na ja, wenn man sich selbst so in den Pessimismus treibt, artet das Eintreten des Gegenteils dann eben gleich in grenzenlose Euphorie aus 🙂
Das Backforce ist bestimmt kein Traumbike oder gar Ikone der Radbaugeschichte. Aber es eröffnet mir wieder ganze neue Radtourenwelten!
Alleine schon, dass mein Hauptargument (das leidige Radputzen) gegen Fahrten im S(chm)uddelwetter jetzt wertlos ist (Stichwort: SCHUTZBLECH!) war komplett unerwartet (*)
Ich bin schon total im Planungsfieber: neue Graveltouren müssen her! Ich kann es kaum abwarten, bis dieser Artikel hier endlich fertig getippt ist, damit ich endlich neue Strecken zusammenklicken kann 🙂
In diesem Sinne: Auf bald im Schotter!
(*) Und mache mir jetzt bitte keiner mein schönes neues Weltbild kaputt mit “Ein SKS Schutzblech für 30 EUR für dein Rennrad hätte es doch auch schon getan, oder?)
Carpe Diem – Teil 1
Vorwort: Blog Artikel haben ja normalerweise den Anspruch der Aktualität eines Tagebuchs. Aus verschiedenen Gründen kann ich diesem Anspruch nicht mehr gerecht werden. Der Zeitpunkt der Handlungen in meinen Beiträgen wird sich also in der Regel nicht mehr bestimmen lassen und “letztes Wochenende” könnte auch vor 3 Monaten stattgefunden haben …
„Carpe Diem – Teil 1“ weiterlesenAmore Mikaela will auch
Mit Hektor im Gebirge
Singen – Basel – Singen
Wir schreiben das Jahr 2019 und stellen fest, dass noch keine rattspochttechnische Großtat umgesetzt werden konnte. Das zeugt auch von einem eher durchwachsenen Wetter bisher, denn es gab tatsächlich keine 2 Tage am Stück ohne Regenrisiko und gleichzeitig freier Zeit meinerseits. Natürlich schauen wir da verwöhnt auf das zurückliegende 2018, wo man praktisch keinen Gedanken an nasses oder gewittriges Wetter verschwenden musste. Es passte einfach immer. Und so gab es dieses Jahr tatsächlich nur ein Mal eine Ganztagestour nach Zürich und diese auch noch mit verspätetem Start wegen eines kurzfristigen Termins.
„Singen – Basel – Singen“ weiterlesenLago di Garda – Wohin geht die Reise?
Das Mountainbike beschert einem doch unvergleichliche Momente, besonders, natürlich, in den richtigen Bergen. Und wenn man dann noch angenehme Temperaturen mit stabilem Wetter und Seesicht hat, dann spricht das für einen erlebnisreichen Urlaub. So war das die letzten Jahre bis Jahrzehnt(e) am nördlichen Gardasee. Hinzu kommt dort noch das Gemenge an alpenländischer Bodenständigkeit mit italienischer Leichtlebigkeit.
„Lago di Garda – Wohin geht die Reise?“ weiterlesenDer Thurgau
Wenn man an die Schweiz denkt, dann türmen sich sofort die mächtigen, schneebedeckten Alpen vor einem auf. Hochalpin, entrückt, das ewige Eis. Hoch gelegene Alpweiden mit Kühen und die schneedeckten Bergriesen immer im Bild. Viel Schroffes, viel Fels, viel Schnee, Pässe, Schluchten, Berge.
„Der Thurgau“ weiterlesenEine Radgeburt
Wenn man für etwas Leidenschaft aufbringt, dann werden scheinbar einfache Entscheidungen zu komplexen und langwierigen Prozessen. Das wertet das Endprodukt ungemein auf, da es über die Zeit gewachsen und mit Ideen und Vorstellungen genährt, der endgültigen Materialisierung entgegensteuert, gleichsam einer Geburt als finales Endereignis irdischer und geistiger Vorgänge.
„Eine Radgeburt“ weiterlesenLago di Varese
Immer mal wieder folgendes Szenario: die Alpennordseite hat Scheißwetter und die Alpensüdseite Sonne pur und erschwerend kommt dann auch noch ein paar Tage frei dazu, quasi verlängertes Wochenende. Und da haben wir wieder das Luxusproblem. Soll man, und wenn ja, wohin.
Es ist nun mal so, dass der Lago Maggiore vom Bodenseegebiet nicht allzu weit weg ist. 3h Fahrt, wenn’s läuft, und man steht in Locarno oder Ascona oder Lugano. Das verführt ungemein. Nur leider gefällt es mir dort so rein garnicht. Das war schon immer so. Ich finde einfach keinen Gefallen am Lago Maggiore, Luganer See oder Comer See. So sehr ich auch den Gardasee liebe, der aber für einen Kurztrip einfach zu weit weg ist, aber diese westlichen oberitalienischen Seen sind einfach nicht meins.
„Lago di Varese“ weiterlesen