Singen – Basel – Singen

Der Stadtbasler scheint dem Humor nicht abgeneigt – hier gefällt’s mir!

Wir schreiben das Jahr 2019 und stellen fest, dass noch keine rattspochttechnische Großtat umgesetzt werden konnte. Das zeugt auch von einem eher durchwachsenen Wetter bisher, denn es gab tatsächlich keine 2 Tage am Stück ohne Regenrisiko und gleichzeitig freier Zeit meinerseits. Natürlich schauen wir da verwöhnt auf das zurückliegende 2018, wo man praktisch keinen Gedanken an nasses oder gewittriges Wetter verschwenden musste. Es passte einfach immer. Und so gab es dieses Jahr tatsächlich nur ein Mal eine Ganztagestour nach Zürich und diese auch noch mit verspätetem Start wegen eines kurzfristigen Termins.

Ursprüglich war für 2019 wieder eine 2-Tages-Tour in die Alpen vorgesehen, speziell ins Allgäu. Da ich aber im tiefsten Herzen eine mittlere bis gr0ße Abneigung gegen diese Ecke der Welt zu haben scheine, sollte es nun so sein, dass es dort einfach immer regnet, auch wenn die ganze Welt unter der Sonne lacht. Und so durfte ich doch noch Plan B aus der Schublade zaubern und die ursprünglich für schlechteres, trüberes und regenanfälligeres Wetter gedachte Reise nach Basel und zurück detaillieren.

Aber so ganz glücklich war ich nun doch auch wieder nicht, denn eine Fahrradreise am Fluss hat irgendwie den Nimbus des Verstaubten, aus einer vergangenen Generation, welche auch gerne eine Moselreise mit Weindegustation und dem Absingen deutschen Trinkliedgutes genossen hat. Aber man muss auch solchen Vorurteilen die Stirn bieten und mit weltmännischer Toleranz entgegenwirken. Und so ging es also los in Richtung Schaffhausen, wo schon die erste Entscheidung der Weiterfahrt gesetzt werden musste, denn man kann hier einfach, ganz grob, dem Rhein folgen, links (Schweiz) oder rechts (Deutschland) oder über den Klettgau etwas ins Hinterland ausweichen.

Idyllisch und ruhig geht es im schweizerischen Klettgau zu. Schöne Hügellandschaft, landwirtschaftlich geprägt, dem Kraichgau irgendwie ähnlich.

Wir entschieden uns für das Hinterland, denn in Rheinnähe ging es irgendwann sowieso automatisch. Ich mag auch die Weite des Klettgaus, welcher sich über die Staatsgrenzen hinweg erstreckt. Landschaftlich begrenzt durch bewaldete Hügel, schnuckelige Weinrebenlandschaft und dem Höhenzug des Randen. In Lauchringen nahm uns dann die Wutach an die Hand und führte uns nach Waldshut und somit an die Ufer des Hochrheins, welcher uns dann, immer auf deutscher Seite bleibend, irgendwann in Basel einlaufen lassen sollte.

Immer wieder kleine schmucke Örtchen, wie etwa Laufenburg, welches sich doch tatsächlich als Stadt aufspielen möchte.

Erfreulicherweise sind die Radwege auf deutscher Seite von bester Qualität und tiptop ausgeschildert, was die Navigation durch den Steuermann deutlich erleichterte und Fahrtunterbrechungen zwecks Kartenstudiums auf Null reduzierte. Die Reise ging nun also auf rechtsrheinisch deutscher Seite über kleine Ortschäftchen, die sich teilweise als Stadt titulieren, wie etwa Laufenburg oder Bad Säckingen. Alles sehr eng, fast schon schluchtig, wie etwa in Laufenburg. Erst ab Rheinfelden beginnt sich Berg und Wald weiter ins Hinterland zu verziehen und einer schönen weiten Ebene Platz zu machen. Die Stadt lässt sich zum ersten Mal erahnen. Denn auf dem Papier hat die Stadt Basel zwar “nur” etwa 170.000 Einwohner. Aber mit den direkt an Basel-Stadt angrenzenden Städtchen und Gemeinden bekommt die Stadtagglomeration dann schon 830.000 Leute zusammen und das ist groß.

Blick zur Messe Basel mit Messeturm

Für mich immer wieder sehr beeindruckend bei der Einfahrt nach Basel sind die vielen ineinander verwurstelten Straßen und Autobahnen, Brücken, Unterführungen, Radwege und der Fluss. Das wirkt absolut großstädtisch. Da wir von deutscher Seite kamen und unbedingt noch die Altstadt um den Münsterhügel anschauen wollten, ging es mit dem ganzen städtischen Verkehr zuerst unter der Autobahn durch und dann über die Wettsteinbrücke. Und immer im Blick das Roche-Hochhaus, der Messeturm, das Münster. Ich liebe das. Mit dem Rad, so irgendwie verletzlich schutzlos im Getümmel, links abbiegen mit Radspur zwischen Autokolonnen. Und dann in die Innenstadt mit Trambahnen, Fussgängern, wenigen Autos und anderen Radfahrern. Da sind die vielen zulückliegenden Kilometer plötzlich nicht mehr spürbar und ein bisschen Adrenalin wabert durch den Körper, macht Gänsehaut. Ganz anders als ein Trip in die Alpen, aber ebenso beeindruckend.

Blick zum Spalentor in der Altstadt Großbasels

Und Basel hat mir sofort gefallen. Besonders aus radtechnischer Sicht. Der Verkehr sehr behutsam. Keine Hektik, keine Aggession, zuvorkommend, freundlich. Da wird einem schnell die Rivalität der Basler zu Zürich klar. Zürich ist da schon das Gegenstück. “Was ist das Schönste an Zürich? Der nächste Zug nach Basel.” So die Meinung der Basler über ihren Intimfeind. “Züri muess falle!” So ein Spruch der Anhänger des FC Basel, dem stärksten schweizer Fussballclub der letzten Jahre. Und so sind wir dann doch noch recht lange in Basel umhergeradelt und an einigen ruhigeren Ecken kam es mir fast so vor wie Baden-Baden.

Auf der mittleren Brücke mit Blick auf die linksrheinische Häuserreihe der Altstadt und dem Les Trois Rois, einem der ältesten Hotels Mitteleuropas.

Gerne hätten wir dann auch mitten in der Altstadt übernachtet, aber die Vernunft zog uns dann raus über den Rhein und durch Kleinbasel und Riehen ins deutsche Lörrach, wo wir eine überaus schöne und gemütliche Herberge fanden und nach Körperwäsche und Kalorienaufnahme wohlig müde in die Matratzen und gleichzeitig in den Tiefschlaf fielen.

Der nächste Morgen war, wie der vorherige übrigens auch, lausig kalt. Keine 10° um Sechs. Mitten im Hochsommer, mitten im August. Das ist die ganze Wahrheit über den deutschen Sommer 🙂 Nach einem sehr leckeren Frühstück ging es wieder in den Sattel und bei strahlender Sonne zurück Richtung Ost. Ich liebe diese Zeit am Morgen. Alles noch frisch und bedächtig, der ganze Tag noch vor uns. Und auch bei der Rückfahrt nochmal in die Altstadt Großbasel. Den verschlafenen Stadtmorgen einsaugen, umherrollen mit den ersten Pendlern, das Erwachen mitbekommen. Die Rückfahrt wollten wir linksrheinisch, also auf schweizer Seite in Angriff nehmen. Auch hier wieder unter großen breiten Strassenansammlungen hindurch und mittendrüber, am Stadion des FC Basel vorbei, welches Multifunktional und mitten im Wohngebiet auch ein Einkaufszentrum, Wohnungen und ein Altersheim beherbergt. Sehr innovativ und weitblickend!

Auf Schweizer Seite hier ein Vorgeschmack auf die kommenden 1000km übelster Rüttelpiste

Weniger schön war dann leider die Streckenführung auf dieser Rheinseite. Entweder ging es durch gesichtslose Vororte, grobschlächtige Industriequartiere, vielbefahrene Straßen oder, und das war das absolut Übelste was ich je als Radweg hatte, kilometerweit durch dichten Buschwald auf ausgewaschenem Grobschotterbeton, was Geschwindigkeiten jenseits der 15km/h trotz ebener Strecke ohne bleibende Gehirnschäden unmöglich machte. Zumindest mit 28er Rennradpneus und 6bar. Mit vollgefedertem MTB wäre es wahrscheinlich nicht ganz so erbärmlich gewesen. Und somit hieß es bei der nächsten Brücke: Seite wechseln! Sorry Schweiz, aber das war wohl nix. Ihr hättet einfach keinen Sadisten als Streckenbeauftragten nehmen sollen.

Der schöne Nebeneffekt des Staatenwechsels war die erneute Durchfahrt Waldshuts, speziell der knuffigen kleinen Altstadt und noch spezieller, die nochmalige Einkehr ins Café Albrecht, welches die besten Pain Chocolat, Schokocroissants oder Schokogipfel, wie immer man es nennen möchte, des ganzen Universums macht! Das macht doch dann gleich den beängstigenden Blick auf das Atomkraftwerk Leibstadt wieder vergessen. Oder vielleicht ist gerade das der Grund für die Perfektion dieser verdammten Schoko-Teilchen? Auf jeden Fall werde ich Waldshut auf meine Liste der kulinarischen Tagesausfahrten per Ratt nehmen.

An manchen Stellen war man direkt am Wasser des Rheins

Wohlig genährt und genusserfüllt ging es somit an den Rest der Strecke, was aus Erfahrung zäh werden kann. Doch die Rückfahrt über das bekannte und schöne Städtchen Schaffhausen ging mit nur ganz kleinen Zwischenfällen gut und so kamen wir mit leichten Halluzinationserscheinungen aber gesund und glücklich wieder zuhause an, wo wir aus ernährungs- und regenerationstechnischen Gründen einen fetten Döner inhalierten um gleich darauf wohlig ins Reich der Träume hinüberzugleiten.

Die gesamte Strecke war durch das leichte Mäandrieren der Radwegführung exakt 300km lang, 153km auf dem Hinweg, 147km auf dem Rückweg. Und nicht zu unterschätzen sind die kleinen giftigen Anstiege, die immer wieder mal den Kreislauf beanspruchen und die Gesamthöhenmeter doch tatsächlich auf über 1000 aufsummierten.

“Da Magic Banana” hier in Basel gesehen, gibt es exakt gleich auch an einer Konstanzer Hauswand. Was möchte uns dieses Rätsel wohl sagen?

8 Gedanken zu „Singen – Basel – Singen“

  1. Ich höre mich noch schimpfen, nein niemals fahre ich so ne langweilige Strecke nach Basel mit, nein, das mache ich nicht….Aha….Gut dass ich es doch mitmachte, denn es war eine Bereicherung. Anfangs sehnte ich mich schon nach einem Blick Richtung Alpen und meinen Churfürsten, aber bald merkte ich, dass einem das Nachtrauern gar nichts bringt und schnell konnte ich mich auf die Strecke einlassen und stand mir nicht mehr im Weg und so nahm die Strecke ihren Lauf. Waldshut wartete mit gigantischen Leckerlis auf uns und ich wollte schon mehrere Teile davon kaufen…. Bis Basel war es dann abwechslungsreicher, wie ich erst dachte. Es war meist sehr ruhig, selten trafen wir auf andere Radler, man konnte immer in die jeweilige Landschaft eintauchen. In Basel angekommen, war auch ich total angetan, was die Stadt für einen besonderen Flair hatte und wie viele mit dem Rad unterwegs waren und es immer recht entspannt war und einfach chilliger im Vergleich zu Zürich. Schon cool, wenn man neben der Autobahn und Brücken in die Stadt rein rollt. Hat was.
    Ich war so euphorisch, dass ich dachte, wir fahren noch gaaaanz weit, nicht nur bis Lörrach. Wie gut, dass man einen Mitfahrer mit klarem Verstand bei sich hat und einen bremst. Die Heimreise am nächsten Tag war nicht so ganz easy für mich. Diese Rüttelpiste war stellenweise echt ätzend, dann war es im Wald feucht und klamm und sie wollte nicht aufhören, nerv, nerv… Dann gab es wie immer vor Schaffhausen Gegenwind und wie. So langsam tat der Nacken und die Hände weh, Hunger, Durst, Pipi, müde (kein so schöner Zustand) und dann sind sie gefallen, die bösen Worte. Aber mein werter Herr Cook , hinter dem ich im Windschatten fahren durfte, hat diese zum Glück nicht gehört, da der Wind sie gleich weiter getragen hat.
    Aber was ich einfach sagen wollte, es ist doch prima, wenn man manchmal zu seinem Glück gezwungen wird und ne andere Strecke mal ausprobieren muss, weil es in den Bergen regnet. War wirklich von der Tour angetan.

  2. Bämm, bämm – kaum aus dem Urlaub zurück, gleich ins nächste Abenteuer. So ist’s recht 🙂 Wer rastet, der rostet oder so ähnlich – auch wenn es am modernen “Draht”esel nicht mehr viel zum Rosten gibt …
    Gefällt mir sehr gut euer Reisebericht und ich bekomme sofort Lust, mich auf den Weg nach Basel zu machen. Bin ja eigentlich der Vermeider von menschlichen Großansammlungen und wenn ich so meine Touren auf den Karten zusammenklicke schreckt mich das Straßen- und Wege-Wirr-Warr der Städte schon rein optisch ab. Ich klicke dann meistens eine weiten Bogen drumherum zusammen, auch wenn es etliche Kilometer Umweg bedeutet. Manchmal wird man aber eben zu seinem “Glück” gezwungen (Wetter, Kräfte zu euphorisch eingeschätzt, usw …) und muss dann erstaunt feststellen, dass der Weg durch die Stadt nicht immer so schlimm ist und sogar ganz flowig sein kann. Gerade wo ich das schreibe, erinnere ich mich wehmütig an ein paar imposante Runden durch die Städte des Ruhrgebiets. Hmmm, das macht “man” einfach viel zu selten.

    Zu der Rüttelradroute kann ich nur sagen: man sollte Radrouten-Planer zwingen, nach der Fertigstellung das Gesamtkunstwerk mindestens 2 Wochen lang täglich selbst zu befahren. Damit würde uns künftig der ein oder andere Schotterbelag oder oder die ein oder andere 25% Steigung erspart bleiben.

    P.S.1: Ihr macht nie Bilder von eurem Reisegepäck! Eure Räder sehen immer so asketisch und gar nicht nach 2-Tages-Tour aus. Vor meinem geistigen Auge spielen sich daher folgende 2 vorstellbare Szenarien ab:
    (a) die arme Yvo muss in einem Mega-Rucksack alles Gepäck für euch beide transportieren, damit dein Gesamt-Erscheinungsbild nicht getrübt wird (wobei du dann eigentlich auch noch deine Trinkflasche an IHREN Sattel schrauben könntest ;-))
    (b) euer Reisegepäck ist tatsächlich so asketisch und die Zahnbürsten stecken hinter dem Lenkerstopfen und die Zahnpastatube im Sattelrohr.
    Könntet Ihr dieses Rätsel bitte noch auflösen? Danke!

    P.S.2: Erst beim 2.Durchlesen des Artikel ist mir aufgefallen, dass du mit “Cafe Albrecht” keine Niederlassung von “Feinkost-Albrecht” (der mit dem großen A auf dem Schild) meinst. Nach dem ersten Lesedurchgang sah ich euch beiden armen ausgehungerten Würste vor meinem geistigen Auge auf einem Parkplatz sitzen und eine Packung “Delacre Schoko-Nuss-Ecken” vertilgen. Bin froh, dass es nicht so war und ihr weiter eure kulinarischen Standards beibehaltet. Ich muss wohl an meiner Lesekompetenz arbeiten bzw. meinen Ironie-Detektor umjustieren

    1. Hallo racing_fool,

      meine Einschätzung zu P.S.1 wäre ja die Variante (b).
      Insider Informationen zufolge wurde aber in letzter Zeit in Bikepacking Equipment vom Feinsten investiert. Ich bin mir sicher, das wird demnächst auch auf diversen Fotos zu sehen sein – zumindest für Kenner der Szene 😉

      1. Mein lieber Klausi,
        ich erkenne hier einen gewissen ironischen Unterton? Jedoch konnten wir in unserem extralarge-extended-bikepacking-gear vor kurzem auch eine komplette 3-gruppige La Cimbali Espressomaschine inclusive Dieselaggregat integrieren! So, und jetzt kommsch du!

    2. Mein lieber racing_fool,
      ganz herzlichen Dank für deinen geschätzten Worterguss 🙂
      Eine Großstadtdurch- oder -rundfahrt gehört für mich zu den Highlight im Rattspochtlerdasein, zum Leidwesen meiner lieben Yvo, die sich dadurch öfters in von ihr so benannten “Straßenkampf” befindet.

      Zum Gepäckthema: Gepäck wird völlig überbewertet. Alles am Leib. Hippouch oder so. Und Trikottaschen. Essen unterwegs, schlafen in Rattspochtklamotten, dann ist man gleich nach dem aufwachen parat 🙂 Übrigens ebenso überbewertet ist Körperpflege…

    3. achja: diese blöde Trinkflaschen-Arschrakete muss weg! Da hast du völlig recht mit deinem dezenten Hinweis. Ich werde mir deshalb das unnötige, dauernde trinken auf Ratttour abgewöhnen, bzw. aus Brunnen, Pfützen, Flüssen u.ä. trinken. Optik fordert Opfer!

  3. Ganz ruhig Jungs……ihr wißt ja, alles muss gut überlegt sein. Und gut aussehen muss es ja natürlich auch, keine Frage 🙂 Wann ein Bild folgen wird? Bestimmt irgendwann mal

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