Rennrad schleppen am Urnersee

Blick nach Süden ins Tal der Alpenreuss Richtung Gotthard

Der Kanton Uri ist schon was ganz besonderes. Die Bergwelt fasziniert, man ist mittendrin in den Alpen. Vom Ufer des Urnersees geht es los über viele große bekannte Pässe. Gotthard, Oberalp, Furka, Susten, Klausen. Und unten am See ist reges Treiben der Windsurfer wie am Gardasee. Man ist unten auf knapp über 400m Höhe, wie am Bodensee. Und oben hinaus geht es weit über 3000m. Dazu kommt noch die Geschichte der Schweiz, die am Vierwaldstättersee ihren Ursprung hat. Hier trafen sich regelmäßig die Vertreter der 3 Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden zur Gründung der Eidgenossenschaft.

Schon zu meinen Motorradzeiten aus der Urzeit meines Lebens war Flüelen ein Fixpunkt. Hier wurde gerastet, übernachtet, durchgeschnauft auf dem Weg vom oder in den Süden. Die Axenstrasse hinter sich, den Gotthard vor sich. Oder umgekehrt. Und auch heute mit dem Rennrad hat es dort eine ähnliche, ehrfurchtsvolle Ausstrahlung. Das spezielle an dieser Ecke am Südzipfel des Urnersees ist diese isolierte Lage die es eigentlich hat. Ohne den Seelisbergtunnel gäbe es nur die eine Verbinung über die in den Fels geschlagene Axenstrasse oder per Schiff nach Norden zum Rest der Deutschschweiz. Und so war es nur eine Frage der Recherche und der Zeit, einmal eine Umrundung des Urnersees in Angriff zu nehmen.

Unterwegs auf der berüchtigten Axenstrasse, hier aber schon auf dem grandiosen Radweg

Ausgangspunkt sollte Brunnen im Kanton Schwyz sein, ein quirliges kleines Örtchen direkt am See und am Beginn der Axenstrasse. Diese gefürchtete Verkehrsachse, das Nadelöhr des Nord-Süd-Transits, ist eigentlich nicht das natürliche Habitat eines Rattfahrers. Auf der Strasse lauert der Tod durch zerquetscht werden zwischen LKW-Bordwand und Fels. Doch ich hatte Berichte gelesen und auch Bilder gesehen, wo fröhliche Rennradfahrer auf wunderschönen Radwegen die Axen passiert haben. Zeitweise zwar bussgeldbehaftet auf dem Gehweg, aber ein kleines Risiko muss sein. Lieber eine Busse zahlen als tot. Das ist aber nur der eine Teil der Umrundung. Der andere ist weitaus kniffliger. Denn auf der anderen Seite, am Westufer, hört die Strasse im Örtchen Bauen auf Seehöhe auf. Oder in Seelisberg, auf etwa 800m Höhe, von Norden gesehen. Und so treibt einem die Frage nach dem „Missing Link“ um. Wo ist die Verbindung? Wie könnte man von Bauen nach Seelisberg gelangen? Auf Karten erkennt man einen kleinen Wanderweg hoch nach Seelisberg. Doch ist der auch geeignet für das Rennvelo? Oder ist das den Bergsteigern vorbehalten? Berichte mussten her! Und so konnte eine intensive Recherche Licht ins Dunkel bringen: Es gibt einen Treppenweg über knapp 300hm und etwa 900 Stufen hinauf nach Wissig bei Seelisberg und dieser Treppenweg wurde auch schon von Rennradfahrern gemeistert und auch Frauen waren schon dabei! Somit war klar: Die Umrundung musste dieses Jahr gemacht werden!

Uri. Der Wappen ist die perfekte Beschreibung für dieses wilde Land.
Geht noch mehr schön?

Und damit noch nicht genug, denn obendrauf kommt noch ein weiteres Highlight, die meisterliche Strasse nach Isenthal. Eine steile, kleine, in den Fels gehauene und betunnelte Traumstrasse direkt über dem See, die man schon von weitem erkennt und die uns schon lange fasziniert und zur Befahrung gerufen hat. Also vor den Treppen noch hoch nach Isenthal. Eine Sackgasse zwar, aber das hat uns noch nie abgehalten. Man kennt mich als Präsident des Club ReTour und damit ist alles gesagt.

Einstieg in die Straße nach Isenthal
Erste Kehre und die Frage wiederholt sich: Geht noch mehr schön?

Um nun nicht den ganzen Vierwaldstättersee umrunden zu müssen, hat doch ein kluger Kopf so ziemlich mittig eine Fährverbindung eingerichtet, die wir dann auch nutzen wollten, um die für mich langweilige Nordhälfte des Sees von der Runde abzukappen und praktisch die Quintessenz zu erhalten. Und somit war die Umrundung des Urnersees eine klare und beschlossene Sache.

Isenthal

So ging es dann endlich von Brunnen heraus die Axenstrasse nach Flüelen, rüber nach Seedorf und dann traumhaft am See entlang nach Isleten, wo die Isentalstrasse beginnt und wo man wunderschön sitzen kann im Seegarten, einem wirklich authentischen Gasthaus in Traumlage. Ein Ort, wo sich Einheimische, Spaziergänger, Windsurfer, Kletterer, Wanderer und Radfahrer zu Kaffee und Gipfeli treffen und ergriffen von der Schönheit der Landschaft den Moment geniessen.

Wir sind dann noch bis zum Talschluss St.Jakob geradelt, aber ab hier nur noch dicke Pneus 😉

Erst im nächsten Ort, Bauen, einem recht touristischen Vorzeigeörtchen mit großer Tradition ist dann Schluss mit Strasse und mit lustig. Vom Zwyssighaus und dem davor liegenden schönen Plätzchen geht es nun steil bergan. Schon bald beginnen die Stufen, Naturtreppen mit unregelmäßigen Stufen. Ursprünglich wollte ich Rucksack mit Joggingschuhen mitschleppen, aber dann haben wir uns für die Radschuhe entschieden. Beide haben wir MTB-Schuhe und sind mit denen auch schon am Gardasee rumgestiegen mit dem Mountainbike, was soll da noch passieren, dachte ich. Hat auch geklappt. Was mit weißen Rennradballerinas passiert kann ich leider nicht voraussagen, könnte klappen, oder auch nicht. Mit ein paar schönen Aussichtspausen garniert, sind wir dann auch einigermaßen unversehrt am Ausstieg angekommen, wo schon Toiletten und ein Brunnen auf die Bergsteiger warten. Ja, das ist Schweiz, hier denkt man mit und an seine bergbegeisterten Bewohner.

Selber rausgesucht ihr Deppen 🙂

Die darauf folgende Strecke ist Bergrennradalltag mit ein bisschen Bootle fahren, um zügig zum Ausgangspunkt Brunnen zu kommen. Dort ist der Sonntagsausflugsverkehr ordentlich angeschwollen und wir geniessen tatsächlich das Zusammenspiel aus Familienausflug, Oldtimer und Sportwagenshow und der sportlichen Ausstrahlung der ganzen Rennradler, die hier vor oder nach oder während ihrer Tour, die immer Anstrengung verheißt in dieser Ecke, lässig plaudernd an Espresso oder Shorly sitzen. Wir setzen uns vor den hippen „Einsiedler“, einer angesagten Bar direkt am Schnittpunkt des Geschehens und saugen diese Athmosphäre bei genialem Espresso und noch genialerem Kuchen ein. Auch da ist die Schweiz näher am Perfekten, wo man in Deutschland noch dreckige schwarze Brühe mit hauchdünner, cremaähnlicher Schicht als tollen Espresso serviert bekommt. Nein, das ist immer noch nur ein kleiner Kaffee. Ihr könnt es einfach nicht oder wollt es nicht können. Da geb’ ich lieber 1000 Franken für eine Barista-Meisterleistung aus und verzichte den Rest des Jahres auf weitere Ausgaben.

Blick von Seelisberg mit Galerie an der Axen und dem Örtchen Sisikon

Und so war diese Runde ein absoluter Traumtag in schönster Kulisse mit bestem Wetter und maximal möglicher Abwechlung zu Ende. Ob wir diese Schlepperei aber nochmal irgendwann machen möchten? Vielleicht eher nicht, einmal reicht glaub’ ich, aber das schöne Sitzen im Seegarten zu Isleten und die darauf folgende Auffahrt nach Isenthal und natürlich die sensationelle Axen weckt nachhaltig Sehnsüchte.

Bild des Tages: Schön Sitzen mit lecker Heißgetränk in Isleten

6 Gedanken zu „Rennrad schleppen am Urnersee“

  1. Respekt, 300hm das Fahrrad tragen, das ist nichts für Weicheier!
    Und ganz nebenbei habt ihr so ein neues Genre des Radfahres geschaffen: “extreme road bike stair hiking” 😉
    Eine tolle Tour, sehr schön beschrieben!

  2. Wie kann es sein, dass man während der ganzen Tour, auch in Ruhephasen so einen erhöhten Puls hat? Es kann einfach sein, wenn man in so grandioser und abwechslungsreicher Landschaft unterwegs ist. Ich war so hin und weg. Es ist wirklich extrem abwechslungsreich gewesen und diese verschiedenen Blicke auf den See, einfach herrlich. Diese Kaffeepause am See, was für eine friedliche Stimmung dort herrschte. Ebenso weiter oben. So ein Spätsommertag, ein wunderbares Geschenk….

  3. Kommt, gebt es zu: die Fotos habt ihr aus nem Touristenprospekt ausgeschnippelt und hier dann reingeklebt! Soviel Landschafts-Epos kann es doch real gar nicht geben!
    Klar, für so etwas kann man seine Velos auch mal 900 – wie, was – NEUNHUNDERT?! Stufen hochtragen. Ihr Wahnsinnigen! (wahrscheinlich gibt es dafür aber auch schon längst ein Strava-Segment 😉)
    Die Messlatte für die folgende Radsaison habt ihr euch mal wieder selbst ganz schön hochgelegt.

    Nur eine Sache habe ich nicht richtig verstanden: warum ging es mit der FÄHRE zurück? Wäre nicht Zurückrudern im selbst mitgeführten Schlauchboot die logischere Variante für die Beendigung dieser Tour gewesen? So wie an dieser Stelle die Schweiz erfunden wurde, hättet ihr analog damit den modernen Rad-Dreikampf initiieren können: Rad-Fahren, Rad-Tragen, Rad-Rudern … 😂

    1. Jaaa, es gibt tatsächlich ein strava Segment! Hammer!
      Es war aber auch ein Bilderbuchtag und momentan liegt Schnee meterhoch bis runter und der See ist zugefroren, so schnell kann sich alles ändern 😉
      Das mit dem Rudern ist leider an der fehlenden Rückführung des Bootes gescheitert 🙁 Aber wir hatten haargenau die gleiche Idee 😉

  4. Mal eine Frage:
    da ja vor Befahrung der Axenstrasse recht eindringlich gewarnt wird:
    Wäre diese Passage mit Gepäck am Tourenrad denkbar ? Falls ja, auch hoch oder dann besser lieber runter ?
    Schon von der Landschaft her würde es mich unheimlich reizen da mal hochzuschieben oder runter zu bremsen…

    1. Ogott mimamb, habe deinen Kommentar komplett verpennt, entschuldige bitte!
      Bist du die Axen mittlerweile gefahren?
      Die ist aber absolut eben, da gibt es kein hoch oder runter, das ist eine Uferstrasse. Die bessere Richtung ist sicher die von Brunnen nach Flüelen, weil man auf dem Gehweg, den man illegal befahren muss wenn man nicht sterben will, in die richtige Richtung fährt und nicht entgegen. Dieser kurze Gehwegabschnitt ist so schmal, dass man nicht fahrend aneinander vorbeikommt.
      Und immer im Vorfeld abchecken, ob die Axen nicht gesperrt ist wegen Steinschlag oder Bauarbeiten, oder Bauarbeiten das Befahren des Rad- oder Gehwegs unmöglich machen. Auf die Strasse ausweichen wäre blanker Horror.
      Und wenn du die Treppen von Bauen nach Wyssig (Seelisberg) meinst mit “hoch oder runter”: mit Gepäck oder schwerem Rad ziemlich unmöglich, das sind keine normierten Betonstufen, das ist ein Naturpfad mit groben Steinen als Stufen. Lieber nicht!

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